Fragen zu historischer Verantwortung bei Wintershall Dea und geplantem Börsengang

Fragen zu den Verwicklungen von Wintershall mit dem Nationalsozialismus

Seit Januar 2021 ist bekannt, dass die BASF-Tochter Wintershall AG in der Hamburger HafenCity Hauptmieter eines Gebäudes werden will, in dem das Dokumentationszentrum denk.mal am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof zur NS- und Deportationsgeschichte Hamburgs entstehen soll. Vor diesem Hintergrund fragen wir:

  • Die Wintershall AG hat ab 1930 nationalsozialistische Organisationen u.a. mit Geldzuwendungen unterstützt, darunter die „Gesellschaft zum Studium des Faschismus“, den Keppler-Kreis, den Freundeskreis Himmler, den Reichsführer SS Himmler, die Hitlerjugend, das NS-Kraftfahrkorps, die SS, die SA, den Sicherheitsdienst der SS (SD), NSDAP-Gauleiter. Wie viel hat die Wintershall AG ab 1930 pro Jahr und insgesamt von 1930 – 1945 an Geldbeträgen aufgewendet, um NS-Organisationen oder einzelne Personen zu finanzieren und wie hoch wäre dieser Betrag nach heutigem Geldwert?
  • Die Wintershall AG hat in der NS-Zeit von Zwangsarbeiter*innen in ihren Betrieben eingesetzt, darunter KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene, Jüdinnen und Juden. In welchen Betrieben setzte die Wintershall AG im In- und besetzten Ausland wie viele Zwangsarbeiter*innen ein und welche Anstrengungen hat die Wintershall AG bisher unternommen, diese Zwangsarbeiter*innen namhaft zu machen und sie zu entschädigen?

Fragen zur Bewertung der historischen Rolle der IG Farben und des Einsatzes von Zyklon B in der Shoa

Die BASF gehörte zu den Mitgründern der IG Farben. Dieser Konzern war eng mit dem NS-Staat verwoben. IG-Manager entwickelten für Hitler den Vierjahresplan zur Kriegsvorbereitung; Otto Ambros hatte sogar die Position des Wehrwirtschaftsführers inne. Das Unternehmen lieferte dem „Dritten Reich“ die wichtigsten Kriegsgüter und unterhielt in Auschwitz ein eigenes KZ. Auch die Mordwaffe stammte von den IG Farben: Das Zyklon B kam von ihrer Tochter-Gesellschaft Degesch.

Trotzdem behauptet die BASF auf ihrer Website (https://www.basf.com/global/de/who-we-are/history/chronology/1925-1944/1939-1945/kampfstoffe-und-zyklon-b.html), der damals für die IG Farben im Degesch-Verwaltungsrat sitzende Carl Wurster hätte nicht gewusst, dass das Zykon B in den Konzentrationslagern nicht als Entlausungsmittel, sondern als Mordwaffe benutzt wurde. Auch der enorme Bedarf der Nationalsozialisten an Zyklon B hätte ihn nicht stutzig machen müssen, „denn dadurch, dass im Verlauf des Krieges immer mehr Menschen in Lagern untergebracht waren, war zu erwarten, dass die Nachfrage nach Entlausungs- und sonstigen Schädlingsbekämpfungsmitteln steigen würde“. Dazu meine Fragen:

  • Will die BASF auch behaupten, dass alle anderen IG-Farben-Manager nichts von dem eigentlichen Bestimmungszweck des Zyklon B in den Lagern wusste?
  • Wer aus den Reihen der Industrie wusste nach Ansicht der BASF damals überhaupt davon, dass das Zyklon B zur Vergasung von KZ-Häftlingen zum Einsatz kam?
  • Auf welche historischen Quellen stützt die BASF die Behauptung, dass die Degesch eigentlich gar nicht richtig zur IG Farben gehörte, sondern Bestandteil des Degussa-Konzerns blieb?

Fragen zu Wintershall Dea und geplantem Börsengang:

  • Für wann ist der Börsengang von Wintershall Dea geplant?
  • In welchen Ländern ist Wintershall Dea an der Suche nach und/oder der Extraktion von Schiefergas und/oder -öl beteiligt? Bitte geben Sie direkte Beteiligungen durch Tochtergesellschaften und/oder indirekte Beteiligungen durch gemeinsames Vorgehen mit anderen Unternehmen an.
  • Welches Öl- und Gasvolumen wird mittels Fracking in den jeweiligen Ländern gewonnen, in denen Wintershall Dea tätig ist? Welches Volumen an Wasser wird durch die Extraktionsprozesse verbraucht? Welche Zusatzstoffe werden dem Wasser beigemischt?
  • Unter Berücksichtigung aller fossiler Brennstoffe haben wissenschaftliche Studien belegt, dass Fracking von Schiefergas für mehr als 50 Prozent der globalen Zunahme an Methanemissionen während der letzten Dekade verantwortlich ist. Folglich ist Fracking ein maßgeblicher Grund für den Anstieg der globalen Erwärmung. In einer Zeitspanne von 20 Jahren, ist der Einfluss auf den globalen Temperaturanstieg von Methan 84-87-mal größer als der von CO2. Auch auf die lokalen Auswirkungen von Fracking auf das Wasser, die Böden, die Luft und die Gesundheit der lokalen Bevölkerung wurde bereits vermehrt aufmerksam gemacht. Eben diese zerstörerischen und tödlichen Auswirkungen des Unterfangens sowie das gefährliche Potenzial von durch Fracking induzierten seismischen Aktivitäten haben dazu geführt, dass Fracking innerhalb Europas größtenteils verboten, oder immerhin stark eingeschränkt wurde. Wintershall Dea allerdings, mit seiner Hauptverwaltung in Deutschland, einem Land, in dem Fracking verboten ist, benutzt die Technik außerhalb Europas und wird dennoch von seinem CEO als Klimavorreiter dargestellt und präsentiert sich in seinem Nachhaltigkeitsbericht von 2020 als Teil der Lösung für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Zukunft. Wie ist diese Diskrepanz aus Sicht der BASF zu rechtfertigen?
  • Weiß BASF, inwieweit die im Nachhaltigkeitsbericht 2020 von Wintershall Dea erwähnte Portfoliooptimierung durch Investitionen in Infrastrukturprojekte wie Carbon Capture and Storage (CCS) erreicht werden soll?
  • Sieht BASF einen Nutzen von Investitionen in kapitalintensive Infrastrukturprojekte mit geringer Renditefähigkeit wie CCS (geringe Sensitivität gegenüber konjunkturellen Schwankungen, Steuervorteile usw.)?
  • In welche Arten von naturbasierten CO2-Kompensationslösungen plant Wintershall zu investieren? Wo genau sollen diese umgesetzt werden?
  • Wie sieht die soziale und ökologische Bewertung sowohl für naturbasierte Kompensationslösungen als auch für CCS-Projekte aus? Welche sozialen, politischen und ökologischen Kriterien wird Wintershall Dea bei der Entscheidung über die Realisierbarkeit und Wünschbarkeit der naturbasierten Kompensationslösungen und CCS-Projekte in Betracht ziehen?
  • Hat Wintershall eine soziale und ökologische Vorbewertung des Greensand CCS-Projekts in der dänischen Nordsee durchgeführt? Welche Kriterien wurden bei der Zertifizierung des Greensand CCS-Projekts berücksichtigt?
  • Wie hat Wintershall die an der Küste lebenden Gemeinden in den Entscheidungsprozess zum Greensand CCS-Projekt und in die Bewertung der bekannten sozialen und ökologischen Risiken der CO2-Speicherung eingebunden?
  • Gibt es Pläne zur kommerziellen Nutzung des abgeschiedenen CO2, und wenn ja, wie plant Wintershall die kommerzielle Nutzung des CO2? Bitte geben Sie an, ob es Pläne gibt, es für die Erweiterte Ölförderung und/oder Fracking (Hydraulic Fracturing) zu verwenden und nennen Sie die Orte, an denen es zum Einsatz kommen wird. Wenn ja, wo soll das CO2 hierfür zum Einsatz kommen?
  • DNV GL hat die Eignung des Reservoirs Nini-West laut Angaben von Wintershall Dea „für die jährliche Einlagerung von 0,45 Millionen Tonnen komprimiertem CO2 pro Bohrung über zehn Jahre“ bestätigt. Gleichzeitig, sollen „Langfristig […] Kapazitäten zur CO2-Speicherung von etwa 3,5 Millionen Tonnen pro Jahr hier bis 2030 entwickelt werden“, auch nach eigenen Angaben (Quelle: https://wintershalldea.com/de/newsroom/meilenstein-fuer-ccs-projekt-greensand-erreicht, letzter Zugriff: 21.4.2021). Wie plant Wintershall Dea, die Speicherkapazität des Reservoirs um das beinahe Zehnfache innerhalb knapp eines Jahrzehnts zu erweitern, wenngleich die Eignung nur für eine geringere Speicherkapazität bestätigt wurde? Wird es noch andere CO2-Speicherstätten geben? Wenn ja, wo sollen diese gebaut werden? Wer wird die Machbarkeitsstudien hierzu durchführen und nach welchen sozialen und ökologischen Kriterien wird eine Entscheidung getroffen werden?
  • Welches Volumen an Wasser wird verbraucht, um das CO2 in Greensand zu speichern und die CCS-Infrastrukturen zu bauen (Pipelines, Plattformen, Bohrer, Speicher etc)?
  • Wieviel CO2 wird im Herstellungsprozess der CCS-Infrastrukturen (Pipelines, Plattformen, Bohrer, Speicher etc.) ausgestoßen, ohne das gespeicherte CO2 mitzurechnen?
  • Im Nachhaltigkeitsbericht von 2020 schreibt Wintershall Dea, dass es sich für einen „socially acceptable energy supply“ (Quelle: https://m.marketscreener.com/news/latest/Sustainability-Report-2020-Commitment-to-environmental-protection-social-affairs-and-transparency–32891702/, letzter Zugriff: 21.4.2021) einsetzt. Wie reagiert Wintershall auf die sozialen Proteste gegen ihre Energieversorgung?